In der Sitzung der Stadtvertretung am Donnerstag, den 12.12.2019, hielt unsere Fraktionsvorsitzende Liane Fülling folgenden Rede zum städtischen Haushaltsentwurf 2020:
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren, lassen Sie mich mit einem Exkurs beginnen.
Auf der heutigen Veränderungsliste steht eine Entfallposition in Höhe von 220.000 €.
Diese Entfallposition würde dort nicht stehen, wenn die Landesregierung einfach die Gelder des Bundes weiterleiten würde und sich die Hände waschen würde. Waschen kann bei klebrigen Fingern vorbeugen.
151,2 Millionen € wurden in Berlin für flüchtlingsbezogene Zwecke im Jahr 2020 für NRW bereitgestellt. Geld, das in den Kommunen, in Versmold im Haushalt eingeplant war. Doch mogelt sich hier die Landesregierung und der zuständige FDP Minister aus der Verantwortung. An dieser Stelle werden Gelder zurückgehalten, die wichtig für eine gelungene Integration und Voraussetzung für planvolles Handeln sind.
Ein zweiter Punkt, an dem sich der Ministerpräsident, die schwarz-gelbe Landesregierung aus der Verantwortung stehlen und Wahlversprechen nicht einlösen, ist die Anpassung der Pauschalen nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz. Rückwirkend zum 1. Januar 2018 sollte die Anpassung erfolgen, nun hat derselbe FDP Minister angedeutet, es könnte die Anpassung nur für die Zukunft geben. Eine solche Mogelei wollen wir ihm – und da sind wir uns einig mit den kommunalen Spitzenverbänden – nicht durchgehen lassen. Wir haben dazu neben dem schon vereinbarten Brief, einen Appell dabei, den wir ebenfalls gemeinsam in Richtung Düsseldorf auf den Weg bringen sollten. Exkurs Ende
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
haben Sie im Oktober schon an Weihnachten gedacht?
Jede Stadtvertreterin und jeder Stadtvertreter wurde von Ihnen – Herr Bürgermeister – mit einem Päckchen bedacht.
Inhalt: Der Haushaltsentwurf für das Jahr 2020.
Wir rieben uns verwundert die Augen, sooo eine analoge Geste, in unserer nun schon fünf Jahre dauernden digitalen Wahlperiode.
Richtig, die Hinterlegung des HH als PDF – Dokument ist digital nicht das Maß der Dinge, doch da vorhanden, sollte es auch vorrangig genutzt werden. In diesem Jahr wurde die Nutzung allerdings erschwert, das Dokument landete recht schnell im Archiv.
In einer Zeit, in der die Klimakrise von niemanden geleugnet wird, in der die Auswirkungen unserer Beschlüsse auf die Umwelt benannt werden sollen, wären diese 37 Päckchen und die 37 Plastikbinder vermeidbar gewesen.
Im kommenden Jahr und für die nächsten Haushaltsjahre werden wir daher ohne Ihre Päckchen auskommen.
Begrüßen würden wir es, wenn dies gleichzeitig mit der Einführung des interaktiven Haushaltsplans verbunden wird. Im Kreis Gütersloh arbeiten einige Städte an dieser Stelle – seit Jahren – erfolgreich mit dem Interkommunalen Vergleichssystem (IKVS). Ein Baustein einer dialogorientierten, transparenten, bürgerfreundlichen und modernen Verwaltung.
Doch zurück zu unserem analogen Päckchen. Sie, Herr Bürgermeister starteten den Versuch, Appetit auf die Inhalte des HH-Entwurfs zu machen.
So fiel im Laufe des Redebeitrags der Begriff „Klimaschutzmanager“ – endlich dachten die Kollegin und die Kollegen von den Grünen und meine Fraktion und spendeten spontan Beifall. Doch leider – nur ein Versprecher oder ein Verhörer.
Zwar gibt es eine Einstellung zur Unterstützung im Umweltbereich, diese gleicht aber im Grunde nur krankheitsbedingte Ausfälle aus und zeigt so, dass es auch an dieser Stelle nicht um den ernsthaften Umgang der oben schon benannten Klimakrise geht. Diese Mogelpackung kann nicht der „Versmolder Green Deal“ sein.
Wie wichtig und notwendig eine zusätzliche, personelle Verstärkung ist, zeigte schon einer der ersten Arbeitstage von Frau Brüggemann im Versmolder Stadtpark.
Deutschland gehört laut Klima-Risiko-Index – dieser Index zeigt auf, wie stark welches Land bisher unter Extremwetter leidet, das infolge der Klimakrise zunimmt – zu den DREI vom Klimawandel am stärksten betroffenen Staaten. Ursachen sind Hitzeperioden, Rekorddürre und schwerer Stürme. Diese Auswirkungen machen vor Versmold nicht halt und zeigen sich deutlich in unserem Stadtpark. Die Versmolder Bevölkerung muss sich auf einen weiteren Kahlschlag einstellen. 40 oder waren es am Ende doch 50 Bäume sind sichtbare Opfer der Klimakrise und werden gefällt. Dies zeigt deutlich, dass die Einführung eines Baumschutzkatasters – wie in unserem Klimaschutzkonzept unter Handlungsfeld Kommune benannt – nicht reicht.
Zur Erinnerung, damit sollte eine bessere Baumpflege möglich, somit Erhalt vom Bestand und weniger Baumfällungen notwendig sein. Diese Maßnahme reicht offensichtlich nicht. War es jetzt die Dürre, war es vor einem Jahr der Sturm Friederike, der allein im Stadtpark den Abgang von 18 Bäumen mit einem durchschnittlichen Stammumfang von 1 Meter verursachte.
Diese Beispiele machen deutlich, Klimafolgenanpassung muss bei der Fortschreibung des Klimaschutzkonzeptes eine gewichtige Rolle spielen. Dazu gehört, dass z.B. eine Dachbegrünung selbstverständlicher Bestandteil einer Neubauplanung ist.
Damit wären wir bei einem weiteren Punkt unseres Mogelpäckchens – der Erweiterung des Rathauses.
Die Lässigkeit, mit der im Oktober die Baukosten eingestellt wurden, war schon überraschend. Insgesamt halten wir die danach in der Beratung überarbeiteten Zahlen für realistischer. Für meine Fraktion ist diese Position aber vor der finalen Ausgabe mit einem Sperrvermerk versehen.
Im Laufe der Diskussion dieses Punktes haben wir den Eindruck gewonnen, dass dies ein Versuchsballon war, die Haltung der Politik abzufragen und von Seiten der Verwaltungsleitung, des amtierenden Bürgermeisters, ein positives Signal in die Mitarbeiterschaft zu senden.
Vor der Freigabe erwarten wir eine konkrete Aufstellung und Abwägung, welche Anstrengungen etwa in Richtung Telearbeit und Homeoffice unternommen werden, welche Bereiche der Verwaltung umziehen sollen, eine Erläuterung der zukünftig weiterhin notwendigen 1:1 Zuordnung von Personen und Schreibtisch und vor allem die Prüfung von denkbaren Alternativen, wie z. B. die Anmietung von Räumen. Die Genauigkeit, mit der die benötigten Büroräume für die Haushaltsaufstellung geprüft wurden, acht oder zehn oder so, berechtigt da doch zu einer gewissen Skepsis.
Die Ausführungen zum Personalbedarf zur Begleitung des von uns angeregten Seniorenbeirats in Höhe einer Viertel Stelle, ebenso eine Viertel Stelle für die Begleitung eines Jugendparlamentes, dies macht in der Summe eine halbe Stelle. Dies für die Begleitung der Beiräte, die vielleicht vier mal im Jahr tagen und auch nicht mit den Ausschüssen der Stadtvertretung vergleichbar sind.
Zu dieser Art der Bestimmung des notwendigen Personalbedarfs für eine Verwaltungsaufgabe, passt auch die Angabe aus dem letzten Jahr, als wir beantragt hatten, die Überwege auf Barrierefreiheit zu prüfen. Diese Aufgabe wurde nicht aufgenommen mit dem Hinweis, dazu müsste eine Person eingestellt werden. Diese Listenerstellung könne mit vorhandenem Personal nicht geleistet werden. Nun, die Liste stellen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Macht ja jetzt auch Sinn, falls es laut Entwurf zum Umbau in 2023 kommen sollte und dieser Umbau, dieser Punkt ernst gemeint ist und sich nicht nur in den Haushalt hinein gemogelt hat. Meine Fraktion hat daher doch ein Fragezeichen bezüglich der Verlässlichkeit der Personaldispositionen gesetzt.
Herr Bürgermeister,
die Sanierung der Toilettenanlagen in Peckeloh ist ein weiterer Punkt in diesem Mogelpäckchen.
Bedauerlich ist, dass eine ganzheitliche Betrachtung der Schule in Peckeloh mit dem Hinweis auf den zeitlichen Druck, den es gäbe, abgeblockt wurde. Wir kennen das schon, Hinweis auf gewünschte frühzeitige Auftragsvergaben und Ausführung der Arbeiten in den Sommerferien. Sachgerechter wäre für die Schule, unsere Grundschülerinnen und Grundschüler in Peckeloh und die Stadtvertretung ein Vorentwurf, eine Konzepterstellung im vergangenen Sommer gewesen. Diese Vorgehensweise hätte eine offene Diskussion und Abwägung zur Berücksichtigung von pädagogischen, ökonomischen, sozialräumlichen und Umweltaspekten erlaubt.
So ein richtiges Konzept, das hätte was…
Doch so ein Konzept, d.h. ein klar umrissener Plan, ist in diesen Räumen seit Jahren ein Unwort.
Allein der Gedanke, dass ein Konzept hilfreich wäre, darf nicht zugelassen werden, da dies gleichzeitig bedeuten könnte, dass es noch keinen Plan gibt .
An dieser Stelle sei einmal an die Diskussion zu „Gute Schule 2020″ vor drei Jahren erinnert. Damals hieß es: Konzept – brauchen wir nicht , haben die Schulen alles (in der Schublade) –.
Erst als die Bertelsmann-Stiftung ein Projekt zur Unterstützung auflegte und die Projektteilnahme von der Erstellung eines Medienentwicklungskonzeptes abhängig machte, wurde anerkannt, dass der Schubladenfund diesen Ansprüchen nicht gerecht wurde.
Bei der Erstellung eines Konzeptes könnte natürlich herauskommen, dass die bislang gelebte und erlebte Wirklichkeit nicht zukunftsfähig ist, eine Veränderung notwendig wird, ein Abschied von lieb gewordenen eigenen „Prioritäten“ erforderlich ist.
Oder es wird schon vor der Konzepterstellung vor möglichen Kosten gewarnt, die zur Zielerreichung notwendig wären, da wird lieber gleich verzichtet.
Und überhaupt – man kennt sich doch aus Versmold.
Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren,
in diesem Jahr war es wieder das beantragte Fahrradwegekonzept, das im Fachausschuss niedergestimmt wurde. Erneut eine Chance vertan. Vertan die Chance – mit einem wirklichen Plan – die notwendige Verkehrswende, die Mobilitätswende für Versmold einzuleiten. Stattdessen verbal zum wiederholten Mal der Versuch, sich mit dem Hinweis – man wolle keine Papiere, sondern Maßnahmen unterstützen – an einem Bekenntnis zur Veränderung vorbei zu mogeln.
Die Markierung der Fahrradstreifen und Fahrradfuhrten ist eine Maßnahme.
Spätestens als der ursprüngliche Antrag in Einrichtung einer Haushaltsstelle „Maßnahmen zur Sicherung des Rad- und Fußverkehrs“ geändert wurde, gab es die Chance, gemeinsam für Veränderung einzutreten. Für ein Mehr an Sicherheit, eine unabdingbare Voraussetzung für eine gelingende Mobilitätswende.
Die Missachtung von fahrradfahrenden Kindern bei der Radfahr – Prüfung in Loxten, zeigt doch wie viel in den Köpfen gedreht werden muss.
Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren,
Sie haben im Anschluss die Gelegenheit zur Korrektur. Sie können Ihr Votum korrigieren und so nebenbei auch für unsere Zustimmung zum Haushalt sorgen. Wir beantragen die Einstellung von zusätzlichen 30.000 € für die Erstellung eines Radwegekonzeptes und die zusätzliche Einstellung von 50.000 € in eine neue Haushaltsposition „Maßnahmen zur Sicherung des Rad- und Fußverkehrs“.
Herr Bürgermeister, Sie legten in den vergangenen Jahren immer sehr viel Wert darauf, eine Tradition zu entwickeln, beziehungsweise etwas als Tradition zu bezeichnen, wenn es mehr als einmal stattgefunden hat.
Auf eine Tradition kann meine Fraktion sehr gut verzichten – auf Ihren unsachlichen und abschätzigen Umgang mit Anträgen der SPD-Fraktion.
Dieser Umgang machte Sie schon zwei Jahre hintereinander zur Hauptperson der Zeitungskommentierung.
So mahnte das HK in 2018: „ … gutem Beispiel vorangehen und zeigen, dass auch in rauen Zeiten Debatten respektvoll geführt werden können. Denn jeder, der ehrenamtlich viel Zeit opfert und nach besten Wissen und Gewissen Entscheidungen für die Allgemeinheit trifft, hat es verdient, dass seine Argumente sachlich abgewogen werden.
Und 2019
… wenn die SPD-Fraktionsvorsitzende Liane Fülling nur die Hand zur Meldung hob, schaltete der Bürgermeister schon in den optischen Genervt – Modus und als es darum ging, ihren Antrag zum Radwegekonzept sauber zu formulieren, winkte er gar ab, mit dem Hinweis: „Lohnt nicht“.
Respektvolles Handeln geht anders. Damit ist auch der Spruch von Ihnen bei der Ankündigung einer erneuten Kandidatur – die Zusammenarbeit im Stadtrat sei konstruktiv und funktioniere auch über Parteigrenzen hinweg gut – als total gemogelt entlarvt.